Rückblick #1: Lehm als zirkuläres Baumaterial – Deutsch-französischer Austausch in Karlsruhe

Besuch in der Stampflehmkirche während der Auftaktveranstaltung "Lehm als zirkuläres Baumaterial"

Am 10. Juli 2025 fand in Karlsruhe der Auftakt unserer deutsch-französischen Reihe „Zirkuläres Bauen“ statt – mit einem besonderen Fokus auf den Baustoff Lehm. Der Tag bot eine inspirierende Mischung aus Exkursion, Fachvorträgen und offenem Austausch zwischen Architekt*innen, Planer*innen, Forschenden und Praktiker*innen beiderseits des Rheins. Die Fachvorträge unserer Veranstaltung haben wir für Sie aufgezeichnet – hier haben wir die deutsche YouTube-Video Version eingebettet und hier geht’s zur französichen YouTube-Version.

Lehm: Zwischen Tradition, Innovation und zirkulärer Zukunft

Lehm begeistert. Das zeigte sich nicht nur an der regen Diskussion, sondern auch an der Begeisterung der Teilnehmenden beim Besuch der Stampflehmkirche. “Man möchte den Lehm berühren.” Die Wände strahlen Kraft und Ruhe aus – ein starkes Sinnbild für die Verbindung von Natur, Gemeinschaft und gebautem Raum.

Im Zentrum unserer Auftaktveranstaltung standen die Potenziale von Lehm als zirkuläres Baumaterial: regional verfügbar, vollständig wiederverwendbar, CO₂-arm und wohngesund. Unsere Expert*innen waren sich einig: Lehm ist längst kein Nischenmaterial mehr – und doch fehlt es häufig noch an Standards, Erfahrungstransfer und institutioneller Unterstützung.

Aha-Momente

  • Lehm ist vielseitig – aber nicht beliebig: Je nach Ziel – Ästhetik, Kosten, Emissionen – müssen unterschiedliche Lehmformen und -techniken gewählt werden.
    Planung braucht Weitsicht: Lehm fordert ein ganzheitliches architektonisches Denken – vom Entwurf über die Materialwahl bis zur Kommunikation mit Bauherr*innen. 
  • Zukunft liegt im Verbund: Besonders großes Potenzial liegt in Verbundmaterialien aus Lehm und nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh, Hanf oder Weide und im Verbund aus Holz und Leichtlehmziegeln oder -blöcken
  • Standardisierung kommt in Gang: Ein Meilenstein ist die 2023 veröffentlichte Norm für tragende Lehmsteinmauerwerke – ein wichtiger Schritt für die breitere Anwendung im Bauwesen.
  • Stampflehm überzeugt mehrfach: Stampflehmbauten benötigen im Innenraum keine zusätzlichen Beschichtungen, was Kosten senkt und den Rohbau sichtbar macht. Die ästhetische Wirkung und die Eigenschaften der Wohn- und Nutzungsgesundheit sprechen für sich.

Impulse aus Forschung und Praxis

In seiner Werkstatt Digital Design and Fabrication – DDF zeigte uns Professor Moritz Dörstelmann eindrucksvoll, wie Digitalisierung und KI auch im Lehmbau neue Wege eröffnen können – etwa durch mobile Qualitätsprüfung für Verbundträger aus Lehm. Diese Kombination aus Low-Tech-Material und High-Tech-Planung könnte weltweit eine Brücke schlagen – gerade in Regionen ohne Zugang zu klassischem Bau-Know-how.

Prof. Moritz Dörstelmann zeigte uns, wie er mithilfe der KI Verbundträger aus Lehm und Abfallholz zusammenfügt: Die KI analysiert die Eigenschaften der Abfallholzstücke und gibt in Echtzeit über eine VR-Brille Anweisungen, wo und wie sie verbunden werden müssen, um ein tragfähiges, stabiles und funktionales Gerüst für den Lehm zu ergeben.

Ein weiteres Highlight war der Impuls von Louis Piccon von nunc architectes zum archäologischen Museum in Dehlingen – ein Stampflehmbau, der Geschichte, Materialität und moderne Architektur eindrucksvoll verbindet. Die thermische Speicherfähigkeit des Materials und die gezielte Gestaltung der Glasfassade ermöglichen eine besonders nachhaltige Raumklimatisierung – ein gelungenes Beispiel für klimagerechtes Bauen mit kulturellem Tiefgang.

Ein gelungener Auftakt

Der Austausch zwischen den deutschen und französischen Teilnehmenden war herzlich, respektvoll und neugierig. Die Mischung aus Exkursion und Diskussion kam besonders gut an – ebenso wie die Bereitschaft der Expert*innen offen über Grenzen und Herausforderungen zu sprechen. 

Der Baustoff Lehm wird von den meisten unterschätzt, die (regulatorischen) Hürden sind groß. Dabei hat Lehm das Potenzial, ein zentrales Element des zirkulären Bauens zu werden. Uns wurde eindrucksvoll deutlich, wie viel Innovationskraft, Pioniergeist und interdisziplinäre Zusammenarbeit bereits heute möglich ist – und wie wichtig die Verstetigung von Wissen, Netzwerken und Standards für den nächsten Schritt ist.

Wir freuen uns auf die nächste Station der Veranstaltungsreihe in Straßburg am 16. Oktober 2025  – und auf viele weitere Impulse für ein kreislaufgerechtes Bauwesen!