Am 16. Oktober 2025 fand in Straßburg der zweite Teil unserer deutsch-französischen Veranstaltungsreihe „Zirkuläres Bauen“ statt – diesmal mit dem Fokus auf Kreislaufwirtschaft in der Stadtplanung und die Wiederbelebung urbaner Brachen.
Nach dem erfolgreichen Auftakt in Karlsruhe widmete sich das Forum diesmal der Frage, wie Städte mit begrenzten Flächenressourcen, ambitionierten Klimazielen und wachsendem Wohnraumbedarf intelligent mit ihrem Bestand umgehen können.


Urbane Brache als Resource
Im Plenarsaal des Maison de la Région Grand Est eröffnete Eric Chenderowsky, Stadtbaudirektor der Eurométropole Strasbourg, die Veranstaltung mit einem klaren Appell:
„Wir müssen das Potenzial des Bestehenden neu entdecken“
Die anschließenden Vorträge zeigten eindrucksvoll, wie vielfältig der Ansatz des zirkulären Bauens auf städtebaulicher Ebene bereits umgesetzt wird – in Deutschland und Frankreich gleichermaßen.
Strategisches Flächenmanagement in Karlsruhe
Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner, Leiterin des Stadtplanungsamts Karlsruhe, präsentierte das räumliche Leitbild 2016 als strategische Grundlage für die nachhaltige Stadtentwicklung. Ziel: den Flächenverbrauch reduzieren und gleichzeitig neue Lebensqualität schaffen.
Anhand der Beispiele Grünwinkel und Alter Schlachthof zeigte sie, wie strategisches Flächenmanagement, Nutzungsmischung und Identitätserhalt ineinandergreifen.
„Erst die Freiraumgestaltung, dann die Architektur – so entsteht Lebensqualität“, so Karmann-Woessner.
Vom „schwarzen Loch“ zum lebendigen Quartier: Stadtoval Aalen
Kirstin Kalbhenn (Studio Stadtlandschaften Stadtplanung Architektur GmbH) stellte das Projekt Stadtoval Aalen vor – ein früher vollständig versiegeltes Areal, das sich heute zu einem grünen, durchmischten Stadtquartier wandelt. Historische Strukturen bleiben erhalten, neue Nutzungen bringen Leben in die Fläche.
Der Umbau zeigt exemplarisch, dass Wandel leichter gelingt, wenn auf Vorhandenem aufgebaut wird – dass grüne Flächen verbinden und die Einbindung kultureller Einrichtungen für eine lebendige Quartiersentwicklung sorgen.
Mannheim und Mulhouse: Großprojekte mit Vorbildcharakter
Klaus Elliger, ehemaliger Leiter der Mannheimer Stadtplanung, berichtete über die Konversionsflächen in Mannheim, wo rund 600 Hektar ehemaliger Militärflächen zu urbanen Quartieren mit Wohnen, Gewerbe und Grünflächen transformiert werden.
In Mulhouse wird das historische Industrieareal DMC (einst mit 9.000 Beschäftigten) zu einem kreativen und kulturellen Zentrum umgestaltet. Trotz kontaminierter Böden und hohem Sanierungsaufwand entsteht hier ein lebendiges Stück Stadt, in dem Geschichte, Kreativwirtschaft und Zukunft miteinander verschmelzen.
Paneldiskussion: Wie viel Umbau braucht die Stadt?
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass der Erhalt von Gebäuden nicht nur kulturell, sondern auch ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.
Während in Dänemark bereits CO₂-Grenzwerte für Neubauten gelten und die Wiederverwendung alter Materialien gefördert wird, steckt dieser Ansatz in Deutschland und Frankreich noch in den Anfängen – der Wille zum Umdenken ist aber spürbar.
„Die Werte in den Gebäuden wieder neu erkennen – das ist unsere Aufgabe“, betonte Klaus Elliger.
„Die Entwicklung solcher Flächen ist eine riesige Chance“, ergänzte Kirstin Kalbhenn.
YouTube-Video des Vormittags
Alle Fachvorträge sowie die Diskussionsrunde des Vormittags haben wir für Sie aufgeziechnet. Das YouTube-Video wird hier in kürze hochgeladen.
Besichtigung: Urbane Transformation in Straßburg

Einführung im „Point Coop“ am Model des Quartiers.
Am Nachmittag führte die Exkursion zu mehreren Brachflächen der Stadt Straßburg, die sich derzeit im Wandel befinden. Besonders eindrucksvoll war der Besuch des ehemaligen COOP-Areals, einem großflächigen Industriegebiet, das heute als Labor für sozial gerechte, durchmischte und ressourcenschonende Stadtentwicklung gilt.
Das ehemalige Verwaltungsgebäude wurde zu einem hybriden Ort aus bezahlbaren Loftwohnungen, Büroflächen, Co-Working-Spaces und Veranstaltungsräumen umgestaltet.
Dabei blieb der gesamte Gebäudebestand erhalten, Dachziegel wurden wiederverwendet, der Boden aufwendig saniert und neue Grünflächen und Wegebeziehungen geschaffen. Fuß- und Radwege vernetzen das Quartier nun mit der Altstadt, und auch die neu geführte Straßenbahnlinie verbessert die Anbindung nachhaltig.
In der Planungsphase wurde besonderer Wert auf Bürgerbeteiligung gelegt – Studien zeigten, dass soziale Vernetzung entscheidend für das ökologische Verhalten der Bewohner ist. Dieses Wissen floss direkt in die Gestaltung der Gemeinschaftsflächen und Begegnungszonen ein.
Alte Elemente wie der Industrieschornstein blieben als identitätsstiftende Landmarken erhalten und prägen heute die Ästhetik des Quartiers.
So entsteht in Straßburg ein beispielhaftes Modell, das Reuse-Prinzipien, innovative Wohnformen und soziale Durchmischung auf einzigartige Weise kombiniert – und zugleich die Verbindungen über den Rhein hinweg stärkt:
Kehl und Straßburg rücken durch gemeinsame Stadtplanung und neue Mobilitätsachsen wie die Tram enger zusammen.
Fazit: Bestehendes neu denken
Ob in Karlsruhe, Aalen, Mannheim, Mulhouse oder Straßburg – die Beispiele zeigen, dass zirkuläre Stadtentwicklung längst Realität ist.
Sie verbindet Ökologie mit sozialer Verantwortung, Ästhetik mit Bestandserhalt – und fördert eine neue Kultur des Bauens.
Oder, wie Damien Mehl es zum Abschluss formulierte:
„Bleibt neugierig, entdeckt Neues, explore!“
Wir freuen uns auf die nächste Station der Veranstaltungsreihe beim Webinar am 13. November 2025 blicken wir nach Holland und schauen auf Gebäude als Rohstoffbank – und auf viele weitere Impulse für ein kreislaufgerechtes Bauwesen!








